Thomas Bechinger

Einführung in die Ausstellung:
 THOMAS BECHINGER – MALEREI

Christoph Bauer M.A.
Städtisches Kunstmuseum Singen
Galerie Grashey, Konstanz
Dienstag, 15. Juni 2010, 19.00 Uhr

Zuerst möchte ich doch – ganz persönlich – sagen: Es tut gut, von Dir, lieber Thomas, einmal wieder Gemälde, Gouachen, Aquarelle, Radierungen; neue Arbeiten der letzten Jahre, in einer Ausstellung vereint zu sehen. Und es ist schön zu sehen, dass Dein Werk, das zwischenzeitlich in ganz Deutschland zahlreiche Ausstellungen und Würdigungen erfährt, immer wieder auch hier, im Bodenseeraum und in Deiner Geburtsstadt, präsent ist. Dass der Prophet im eigenen Land zählt, das ist u.a. das Verdienst der Galerie Grashey, die Dein Werk, das Werk des Malers Bechinger, seit 1992/95 regelmäßig vorstellt.
 
Zuerst, meine Damen und Herren, möchte ich Sie hinführen auf einige grundsätzliche Bedingungen der Malerei von Thomas Bechinger: Was ist zu sehen? Was kann man diesen Bildern entnehmen; von ihnen erfahren? Und welche Intentionen verfolgt – in meinen Augen, des Interpreten – der Maler in und mit seiner Arbeit?
 
Um Bechingers Malerei zu beschreiben und in den Kontext zeitgenössischer Malerei einzubetten, haben nicht wenige Kritiker und Autoren den Begriff des >Hybriden<, >hybride Malerei<, verwendet. Gemeint ist eine Malerei, für die ein merkwürdiger Zustand des Dazwischen kennzeichnend ist. In diesem experimentellen Zwischen- und Erfahrungsraum, den jedes Bild eröffnet, kreuzen und vermengen sich höchst unterschiedliche, ja widersprüchliche Elemente. Das fertige Bild wird zum „Zwitter“. Tatsächlich hat man vor den Bildern des Malers Thomas Bechinger stets den Eindruck, dass die Teilelemente dieser Bilder auf verschiedene, recht eigentlich widerstreitende Herkunftsbereiche zurück verweisen und dass der Maler diesen Zustand des Dazwischen offen – und zwar bewußt offen – hält.

So erklärt sich denn auch, warum viele Texte in der Beschreibung von Bechingers Malerei zu einer Begrifflichkeit des >Sowohl-als-auch<  greifen.
 
Ja, diese Bilder sind „leer“, denn in ihnen wird nichts außerhalb der Malerei verhandelt. Andererseits aber sindsie „reich“ – angefüllt mit Entscheidungen und Erfahrungen, die der Maler im Auftrag seiner Farben, Schichten und Spuren, im Umgang mit seinen Mitteln trifft. Im nachvollziehenden Sehen werden sie für den Betrachter erfahrbar, erlebbar, einsichtig. Und im Sinne grundsätzlicher Entscheidungen und produktiver Erfahrung verweisen sie – in der Reflexion – ganz selbstverständlich über die Malerei hinaus.
 
Auf den ersten Blick also, in einer oberflächlichen Wahrnehmung, ist diese reduzierte Malerei nicht viel mehr als die bloße Modulation von Farbflächen und –schichten. In diesem Sinn kennt diese Malerei „nur Pinselspuren“. Nähert man sich dem Bild aber an, sieht man in das Bild hinein, dann handelt es sich um Summen, in denen die Gleichzeitigkeit der Hingabe an den malerischen Prozess einerseits und an die Reflexion über dieses Tun andererseits Gestalt findet. Die malerische Handlung durchformt die Farbe (Armin Schäfer). Jedes Bild führt uns die Abfolge jener unprätentiösen Handlungen vor Augen, die in der Summe ein Bild, ein komplexes Gefüge, eine Architektur der Pigmente ergibt.
 
„Natürlich“, so Thomas Bechinger, „gibt es einen ontologischen Unterschied zwischen dem Verteilen von Farbe auf einer Fläche und einem Bild. Wenn es mir jedoch gelingt, diesen Unterschied möglichst klein zu halten, dann kann ich, zumindest eine gewisse Zeit lang, am Bild >vorbeimalen<. Gleichzeitig kann ich aber auch zu einem anderen Bild kommen.“

Bechinger konzipiert nicht; jedenfalls nicht im Sinne des Colour-Field-Paintings, der Minimal Art oder des „radical painting“. Thomas Bechinger sucht sich seine Bilder zu „er-malen“. Indem dieser Maler sein künstlerisches Tun konsequent an die Materialität der Farbe rückbindet, hat er, für sich, den rezeptiven Ballast hinter sich gelassen, der den reduzierten Positionen in Malerei in der Moderne so häufig eigen sind. Von diesem souveränen Standpunkt aus fällt es ihm leicht, in seine Tafelbilder – verstanden als eine der Malerei wieder offene Möglichkeit – nun wieder – und das ist das Besondere der aktuellen Schau – Elemente einzufügen, die er zuvor, auf der Suche nach der Identität des Bildes, aus den bislang eher architektonisch-tektonisch gefügten, lange Zeit eher gedämpft farbigen Werken ausgesondert hatte. Ich meine jene beschwingt, bedächtig ornamental geführten Spuren, gelösten Bildaufbauten und stärkeren Farbkontraste und Überlappungen, welche die neuen Tafelbilder auflockern, der Malerei neue Räume schaffen, ohne dass daraus schon wieder expressive, bedeutungsschwere Gesten werden. Erneut hat Bechinger sein Werk entwickelt, wodurch dieses künstlerische Handeln einmal mehr noch freier, offener wird zu weiterer, intensiver Arbeit mit der Farbe.
Thomas Bechinger: ein Maler also, der das Malen ernst nimmt; der Malerei als ein Abenteuer annimmt – was Besseres kann man von einem Maler sagen?

©  Christoph Bauer
 
 
o.T., 2010, Acryl auf Nessel, 220 x 140 cm          o.T., 2010, Acryl auf Nessel, 210 x 140 cm
 
Pressemitteilung zur Ausstellung von Thomas Bechinger in der Galerie Grashey
Ausstellungseröffnung: Dienstag, 15. Juni 2010, 19 – 21 Uhr
Einführung: Christoph Bauer, Leiter des Kunstmuseums Singen
Finissage: Samstag, 31. Juli 2010, 12 – 16 Uhr
Thomas Bechinger, geboren 1960 in Konstanz, lebt in München. 1981 – 88 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste München, dem Royal College of Art, London und der Kunstakademie Düsseldorf. Seit 2004 lehrt er als Professor für Malerei und Druckgrafik an der Universität Siegen.

Ausstellungen (Auswahl): Kunstverein Reutlingen 2009; Städtisches Kunstmuseum Singen 2008; Museum Katharinenhof, Kranen­burg 2007; Städtische Galerie im Turm, Donaueschingen 2005; Staatliche Kunsthalle Baden-Baden 2002; Neue Galerie Dachau 2002; Rathausgalerie, München 2002;  Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 2003; Kunstverein Konstanz (mit Jerry Zenniuk) 2000; 20 Jahre Kunststiftung BW. Zeppelin Museum Friedrichshafen 1997; Kunstverein Ulm 1995; Städtische Galerie Ravensburg 1993; Städtische Wessenberggalerie Konstanz 1992.

Bechingers Arbeiten werden außerdem vertreten durch die Galerie Rupert Walser, München und Bergner+Job Galerie, Mainz.und die Galerie Grashey, Konstanz (1992, 1995, 2000, 2003); zu erwähnen sind die Beteili­gungen Bechingers an einigen Kunstmessen mit Galerie Grashey: art Frankfurt, Kunst Zürich, und dieses Frühjahr an der art Karlsruhe mit einer one-artist-show.

„Vor dem Hintergrund einer Kunstgeschichtsschreibung, nach der die Malerei immer weiter in Richtung Ungegenständlichkeit, formaler Reduktion und reflektierter Monochromie voranschreitet, ist man, bei schnellem Zugriff, leicht geneigt, Thomas Bechingers Arbeit als monochrome bzw. mit wenigen Farben angelegte Flächenmalerei zu deuten. Doch Bechingers Tafelbildern bzw. seinen auf Papierbahnen oder direkt auf der Wand ausgeführten Breitformaten fehlt jenes Pathos, das monochromen, essentiellen oder radikalen Positionen häufig eigen ist. Bechingers Malerei scheint vielmehr 'schweigsam' zu sein, behauptet aber – zurückhaltend, wenn auch souverän – einen Bezug zur Inkommensurabilität des Lebens. Es geht Thomas Bechinger offensichtlich nicht darum, eine weitere Spielart von Malerei als Malerei zu etablieren, sondern die Selbstverständlichkeit, ja Alltäglichkeit des Malens wiederzugewinnen. ……. Farbe – und damit beschreibt Bechinger recht nüchtern zuerst deren Materiali­tät und Konsistenz, welche als Korrektive gegen technische und damit auch inhaltliche Übersteigerungen wirken; Farbe, so Thomas Bechinger, entsteht 'erst aus ihrer Behandlung'. Die Struktur des Farbauftrags und der Prozess des Malvorgangs – welcher eben nicht zu verwechseln ist mit einem Malgestus, der bei Bechinger nie, auch nicht als Zitat, vorkommt  - treten hervor. Struktur und Prozess, mithin die Ausrichtung auf die Spuren der Arbeit mit Farbe, auf das Verteilen, Abbinden, Aufteilen und Schichten von Farbe auf einem Bildträger, dieser Fokus verleiht Bechingers Malerei jene Ungezwungenheit und Glaubwürdig­keit, die sie lebensnah und selbstverständlich werden lässt.

Bechingers Malerei „kennt nur Pinselspuren“. Diese Spuren, denen entlang unser Blick durch das Bild geführt wird, vermitteln dem Betrachter Einsicht(en) in jene Abfolge unprätentiöser Handlungen des Malers, die in der Summe ein Bild, besser ein komplexes tektonisches Gefüge, eine Architektur von Farben, ergeben. Wiederholt ist auf die Nähe von Bechingers Schichtungen, seiner reliefartig angelegten Über- und Untermalungen im Bild, die Tiefe erzeugen, zu Balken, Schalungen, Anstrichen verwiesen worden. Tatsächlich sucht Bechinger jede 'Vorsätzlichkeit des Komponierens' zugunsten eines 'Ermalens des Bildes' abzulegen. Der kontrollierende Blick im Malvorgang wird gemieden und aufgeschoben. Malen wird sowohl als offene Situation wie auch subtile Interaktion der zur Verfügung stehenden Mittel verstanden. Im Wissen um den 'ontologischen Unterschied zwischen dem Verteilen von Farbe auf einer Fläche und einem Bild' sucht Bechinger in seiner Arbeit 'diesen Unterschied möglichst klein zu halten', um 'zumindest eine gewisse Zeitlang, am Bild vorbei' zu malen. Der Gewinn ist, dass das Malen wieder 'flott', wieder selbstverständlich wird. Offene Bilder entstehen, die uns Betrachter in die neu gewonnenen Möglichkeiten der Malerei hineinmanövrieren können.“

(aus: Katalog Thomas Bechinger, Was tun mit Farbe, Hrsg. Städt. Kunstmuseum Singen, Kunstverein Reutlingen, 2008, erweitert 2010, Christoph Bauer, Spurenlegen, Vorbeimalen, Hineinmanövrieren, S. 20 f.)
 
   
 
   
 
 
 
 
Thomas Bechinger: Bilder aus früheren Ausstellungen


 

Ausstellungsansicht
Verein für aktuelle Kunst Oberhausen/Ruhrgebiet, 2006

 


 

Ausstellungsansicht:
Soziale Fassaden u.a. – Farbe und Oberfläche in der Gegenwartskunst. Städtische Galerie im Lenbach­haus, München, 2003

 


 

RGB, 2004. 1350 x 630 cm. Wandmalerei im Biozentrum der LMU München

 





Ohne Titel, 2006. Aquatinta.
Plattengröße 33 x 23,8 cm,
Blattgröße 53 x 39 cm; Auflage 12