Nicole Bold

 
Ausstellungseröffnung
Dienstag, 27. März 2012, 19 - 21 Uhr
Finissage, Freitag, 27. April 2012, 12 – 18 Uhr

Zur Einführung sprach Dr. Ute Hübner, Leiterin des Hermann-Hesse-Museums, Gaienhofen:
Liebe Nicole Bold,
neugierig war ich auf die Ankunft Ihrer neuen Bilder, die sich hier nun - im Vergleich zu früheren Arbeiten, in denen eher eine zum Ornamentalen tendierende Formensprache vorrangig war, - in ihrer malerischen Bearbeitung noch sehr viel mehr als ein unendliches Experimentierfeld erweisen. Losgelöst von Zwängen theoretischer Rechtfertigung erreichen die Bilder von Nicole Bold , liebe Gäste der Galerie,  eine nochmals gesteigerte Dimension der Offenheit. Der Kontakt zu Farbe und  Form bzw.  Fläche als Bewegungsraum ist hier visuell von sinnlicher Kraft.
Die Künstlerin realisiert traumhafte Bilder, Landschaften vielleicht, die Assoziationen wecken. Das Thema Natur zeigt sich in ihren Bildern als grenzenlos schöpferisches Potential. In feuchten Grün- und Blautönen, in der Transparenz  verdünnter Farbflächen, in schlierenartigen Farbläufen sowie in der amorphen Sprache organisch wirkender Formen artikulieren sich Sinneseindrücke von Natur, die in unterschiedlichen Graden der Abstraktion und bisweilen in latent surrealen Zusammenhängen präsentiert werden.
Kaum haben wir begonnen, genauer zu schauen, uns auf die Eigenschaften der Bilder näher einzulassen, erheben sich Fragen nach Gegenständlichkeit und Abstraktion, nach Raum und Zeit, nach Beständigkeit und Veränderung. Die Bilder wollen keine konturierten  Antworten liefern. Sie bevorzugen das Flüchtige,  lieben die Andeutung und sie tun das mit allen sinnlichen Möglichkeiten, welche die Malerei bieten kann.  Auch die Bildtitel wie „Erinnerungen“ oder „Bemerkungen zu einer Gegend“, die übrigens erst sehr viel später nach Vollendung eines Bildes von der Künstlerin bestimmt werden, geben keinen konkreten Hinweis auf das Dargestellte.
Unser Blick wird eingefangen von der Großzügigkeit der Komposition, er wird nahezu verführt einzutauchen und im Bildgrund zu versinken.
Ein sich zunächst nicht ohne weiteres erschließendes Konglomerat von Farbbeziehungen,  von Formverdichtungen aber auch Formauflösungen bietet sich dem Blick des Betrachters. Aber dieser Eindruck lässt sich nicht lange aufrecht  erhalten. Schon auf den nächsten  Blick lassen sich Räume erahnen, Räume, die sich nach hinten öffnen, manchmal nur nischenhaft, manchmal aber auch in die undurchdringliche Tiefe eines dunklen Schwarzgrün oder Blauschwarz. Wir empfinden Farbschwere, stellenweise ein Farblasten, das Farbleuchten jedoch nicht ausschließt. Anlehnungen an Naturatmosphären werden  besonders spürbar in Bildern, in denen frische, leuchtende  Farbflächen heranwachsen, neue Valeurs regelrecht aufblühen, wie das dichte, strahlende  Gelb  in dem Bild „Dies ist nur ein Teil des Ganzen“.
Wir tauchen ein in den  vielgestaltigen, mehrdeutigen Bildraum, streifen mit den Augen an sinnlichen Farbflächen entlang, verlieren uns in den Bewegungslinien einzelner Pinselstriche oder Farbläufe, bleiben an den Rändern  hängen, sinken mit dem Blick nach hinten, werden von unergründbarem Licht,  von der schleierartigen Weichheit der Formenaufgefangen und weiter hineingezogen in die vielschichtigen Farbtiefen.
Aus diesem Vor und Zurück der Farbräume treten wegen ihrer hohen Farbintensität oder ihrer weiten Ausdehnung vereinzelte  „Inseln“ als Orientierungspunkte für das Auge hervor, denn
die Bilder von Nicole Bold haben kein Zentrum und keinen perspektivischen Fixpunkt, sondern sind in Bewegung begriffen.  Verwischungen und Unschärfen nehmen bestehenden Farbpartien  ihr Gewicht und vermitteln den Bildern im Zusammenwirken mit den Zwischentönen der reich differenzierten Farbpalette etwas Schwebendes aber auch Ungeklärtes.
Sehen wir uns einer unmittelbar bevorstehenden gegenständlichen Strukturierung von Form und Farbe gegenüber oder ist es gerade umgekehrt und wir erleben, wie sich die Motive in ihrer Eindeutigkeit auflösen und zurück bleibt eine Traumlandschaft aus Fragmenten und erloschener Bilder?
Die Werke von Nicole Bold lenken unsere Aufmerksamkeit an die unscharfen Grenzen des Malerischen, wo im undefinierbaren, sich vielfach überlagerndem Kontinuum aus Zeit und Raum Gegenständliches haften bleibt.  Das macht den bizarren Charakter dieser Werk
e aus, die im ambivalenten Verhältnis zwischen Aufscheinen und Verhüllen, zwischen  Innen- und Außenwelt oszillieren.
Es lohnt, den Weg der Farben etwas genauer zu verfolgen. Man hat zunächst den Eindruck scheinbar willkürlich auf die Leinwand gesetzter Farben, starker Farben wie Gelb und Blau, Grün in differenzierten Abtönungen, aber auch im kraftvollen Gegeneinander , kontrastiert durch Weiß und Schwarz.  Die Farben dehnen sich in unterschiedlicher Weise,  mal schablonenartig, mal unregelmäßig aus, drängen vorwärts , stehen unvermittelt nebeneinander, hell neben dunkel, überlagern andere Farbpartien, bilden Kontraste oder auch chromatische Brechungen.
Die Flächen wirken im steten optischen Hin und Her beunruhigend und gleichzeitig maßvoll. Auch in den Fällen, in denen die Künstlerin die Bildfläche mit einer titanweißen, kreidigen Haut überzieht, deren fahl-milchiger Ton sich hier und da auflöst, sich dann aber hier und dort auch wieder aufstaut: Es ist ein Auf- und Absickern von Lichtwerten. Insgesamt gilt ein vielfältig geknüpftes Netz von Bezügen sowohl innerhalb der Bilder, als auch zwischen den einzelnen Werken. 
Wie entstehen die Bilder?
Nicole Bold arbeitet von allen Seiten an ihren Bildern, während diese oftmals auf dem Boden liegen. Die Bilder entstehen in langen Malprozessen: Schicht um Schicht legen sich Farben übereinander, verdichten sich zu bestimmten oder unbestimmten Formen.  Das Feste gegen das Unfeste wird relativiert von kräftigen Akzenten und verhaltener Spur.  Dabei entstehen Orte mit erhöhter Pigmentkonzentration auf der Leinwand. Mitteilsam werden somit Stellen markiert, an denen der Pinsel verweilte, in seiner Bewegung die Farbe vor sich hertrieb. Es sind Dokumente des Innehaltens, der Konzentration, der sichtbaren Bedenkzeit vor dem nächsten  Schritt, aber auch  Erkundungen auf dem Feld malerischer Grundlagen und malerischer Emotionen.
Die Farben sind teilweise wässrig – flüssig. Beim Malen wird der Bildträger wiederholt angehoben – aus einer Balance von Gesteuertem und Zufall entstehen Farbflüsse, Farbläufe. So fließt das Lineare im wahrsten Sinne des Wortes ein in die Malerei, kreuzt und quert sie.
Die Frage, wie viel Stille, Bewegung und Figuration das Bild zulässt, stellt sich jedes Mal neu:
Den Moment, in dem eine bildnerische Geste gerinnen kann, ein Farbverlauf als Binnenform oder ein Linienzug als Randmotiv scheinbar vor der Zeit endet,  bestimmt  sie.  In solchen Entscheidungen wird das Wesen des Werks autonom. Die Künstlerin zeigt sich hier in souveräner Regie. Sie sammelt, prüft, verwirft,  findet neu.  Zart,  zögernd, erobernd und bestimmt  führt Nicole Bold ihren Pinsel.
Im Wissen um ihre malerischen Möglichkeiten ist ihre Kunst immer im Fluss; das Sichtbare ist präziser Zustand, nicht Abschluss. 

Insofern ist ihre Malerei, ein Abenteuer, bei dem die Künstlerin allein auf ihre Fähigkeiten vertrauen kann. Wenn sie den Malvorgang reflektiert, dann schildert Nicole Bold den Entstehungsprozess ihrer Bilder als eine langwierige Auseinandersetzung zwischen inneren Bildern, bzw. Ideen und Vorstellungen von Natur, Erinnerungen an Stimmungen und deren Umsetzung bzw. Übersetzung in Malerei. Nicole Bold hat keine fertige Vorstellung vom Bild, sondern bleibt während des langsamen, sukzessiven  Schaffensprozesses, (die Schichten von Lack und Farbe müssen stellenweise lange durchtrocknen, um weiter bearbeitet werden zu können,)  im Dialog mit ihrem Bild. Hier sehe ich einen deutlichen Unterschied zur informellen Malerei der Nachkriegszeit, der keine Entwurfsideen zu Grunde lagen, die sich aber wesentlich spontaner in der malerischen Umsetzung zeigt.  Nicole Bold versteht ihre Malerei als einen Prozess von hoher emotionaler, intuitiver und kognitiver Intensität.  Ihre Leinwand ist während der allmählichen Verfertigung der Bilder beim Malen ein fordernder, duldender Partner.  Neben diesen großen Leinwänden bearbeitet sie auch kleine quadratische Bildtafeln, die zwar Studiencharakter haben, aber dennoch als autonome Werke zu betrachten sind. Diese Bildreihen bieten eine Möglichkeit, mit Farben, Lacken und Papieren zu experimentieren und die Ergebnisse bei den größeren , wandfüllenden Formaten anzuwenden.
Der Betrachter sieht in beiden Fällen Neues entstehen und hat daran seinen gestalterischen Anteil. Die permanente Metamorphose animiert ihn, das Bild immer wieder aufs Neue zu konkretisieren, seine eigenen Erfahrungen darin wiederzufinden und die Poesie der Malerei fortzuschreiben.
Und dazu möchte ich Sie nun einladen und Ihnen, liebe Nicole Bold, zur Ausstellung herzlich gratulieren.
 
Pressemitteilung zur Ausstellung von Nicole Bold
Eröffnung, Dienstag 27. März, 19 -21 Uhr

In der vierten Einzelausstellung in der Galerie Grashey zeigt Nicole Bold neue Bilder.

Nicole Bold studierte von 1990-96 bei Prof. Grau und Prof. Chevalier an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Mit dem Aufbaustudium bei Prof. Chevalier schloß sie 1998 ihr Studium ab.

1997 erhielt Nicole Bold den Förderpreis „Junge Kunst“ der Stadt Konstanz, 1998 das Eduard-Bargheer-Stipendium

Ausstellungen: (Auswahl) 1996/97 „Gullivers Reisen“ Württembergischer Kunstverein, Stuttgart; 1997 Ausstellung in der Musikschule Konstanz zur Verleihung des Förderpreises der Stadt Konstanz;

1998 Gesellschaft für Gegenwartskunst und Kirche, Bad Herrenalb; 2000 Städtische Galerie Sindelfingen Maichingen; release, Stuttgart; „Natur in der Kunst, Kunst in der Natur“, Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz; 2004 „Die Singenkunst“, Kunstverein Singen im Kunstmuseum Singen; "Malerei", Galerie für Buch un Kunst, Stuttgart, 2007; "In den Raum", Kunstverein Biberach, im Museum Biberach, 2012.

Dr. Barbara Stark: 
„"Nicole Bolds  Gemälde überzeugen durch die Beherrschung der malerischen Mittel, durch ihr differenziertes Kolorit und durch ihre formale Modulation. … Sie entstehen in langsamen Schaffensprozessen. Farbschichten legen sich schleiergleich übereinander, verdichten sich zu Linien und Formen. … Die Bildidee, die am Anfang stand, konkretisiert sich aufgrund des sukzessiven Vorgehens in einer offenen, ja improvisiert anmutenden Art und Weise.

Ihr gestaltendes Vorgehen korrespondiert mit dem Sujet der Arbeiten, in denen – im weitesten Sinn – die Auseinandersetzung mit Naturhaftem und Landschaftlichem ein ebenso zentrales Anliegen ist, sie sie auf formaler Ebene versucht, die Malerei als peinture zu gestalten. Malerei als Möglichkeit, im Sichtbaren das Unsichtbare mitzudenken und umgekehrt das Unsichtbare zum Gegenstand ästhetischer Erfahrung zu machen.“
 
     
erinnerungen IV, 2012                                          erinnerungen III, 2011     
 
 
bemerkungen zu einer gegend III, 2010              landschaft III, 2010